Klar ist dabei, dass die Einnahme täglich erfolgen muss, um die volle Wirksamkeit zu erhalten. Es wird insbesondere
in Studien in der 3. Welt intensiv diskutiert, dass eine oder zwei wöchentliche Einnahmen genauso effektiv wären wie
die tägliche. Dies ist nach Versuchen mit 59Fe-Präparten eindeutig widerlegt und entspricht auch nicht der Erfahrung
mit Patienten mit Eisenmangelanämie. Die tägliche und nüchterne Einnahme von oralem Eisen ist effektiver als
einmal wöchentlich und/oder mit der Mahlzeit (23,24).
Abb. 4. Korrelation zwischen Eisenutilisation und Eisenverlust bei 82 Patienten mit Hypermenorrhoe oder
gastrointestinalem Blutverlust unter oraler Eisentherapie mit 1x100 mg Fe(II)/Tag (Eryfer® oder ferro sanol®
duodenal, nüchtern). Je höher der Blutverlust bei Patienten, desto mehr Eisen wird offenbar absorbiert und für die
Erythropoese zur Verfügung gestellt.
Nebenwirkungen einer oralen Eisentherapie
Unverträglichkeiten, adverse Reaktionen auf eine orale Eisentherapie stellen ein übertriebenes und gleichzeitig ein
in Vergessenheit geratenes Thema dar. Übertrieben in so fern, als das eine angebliche geringe orale Intoleranz
aktuell immer wieder als Begründung herhalten muss für die Notwendigkeit einer parenteralen Eisentherapie mit neu
entwickelten, meist teuren Eisenpräparaten. In Vergessenheit geraten deshalb, weil unsere wissenschaftlichen
Erkenntnisse ganz überwiegend aus Studien vor 1975 stammen; seither gibt es nur wenige neue Publikationen.
Als Grundlage des Wissens über Nebenwirkungen einer oralen Eisentherapie gelten umfangreiche Studien von
Hallberg und Sölvell aus den 60iger und 70ger-Jahren des letzten Jahrhunderts an über 2000 Personen (26, 2). In
verschiedenen Testserien wurde Eisensulfat als Referenzstandard verwendet. Die tägliche Dosis war mit entweder 3
x 60 mg Fe/Tag oder 3 x 75 mg/Tag relativ hoch.
Nebenwirkungen werden durch eine hohe Konzentration von ionischem Eisen (Fe2+) im Darm hervorgerufen
(Tabelle 6.4) und sind deshalb meistens gastrointestinaler Art, wie z.B. Übelkeit, Sodbrennen, Verstopfung,
Durchfall. Der Absorptionsvorgang muss eine wichtige Rolle daran spielen, denn nicht-bioverfügbare Eisenpräparate
zeigen eine sehr geringe Nebenwirkungsrate. Die Untersuchung von Eisenpräparaten sollte deshalb in Studien
erfolgen, die gleichzeitig die Bioverfügbarkeit und die Nebenwirkungen untersuchen. Wegen der Häufigkeit von
unspezifischen Beschwerden in Medikamentenstudien ist dabei unabdingbar, dass das Studiendesign einen
Placeboarm vorsieht, wünschenswert wäre auch eine positiv-Kontrolle in Form eines bekannten Eisenpräparates (2).
Nebenwirkungen einer oralen Eisentherapie
•
abhängig von der Wirksamkeit (=Absorption) des jeweiligen Präparates
•
abhängig von der Einzel- und Tagesdosis (signifikant ab >= 100 mg Fe/Tag)
•
Zusätze wie Vitamin C verstärken die Häufigkeit
Einzelne Symptome:
•
Verstopfung
•
Durchfall
•
Sodbrennen
•
Übelkeit
•
Epigastrische Schmerzen, Krämpfe
Nach Placeboeinnahme gaben 12.4-13.9 % der Probanden gastrointestinale Nebenwirkungen an. Eine
Eisentherapie oberhalb von 100 mg Fe/Tag erzeugten häufigere Beschwerden (20-30 % der Fälle) als Placebo. Ein
Beispiel mit den Symptomen Übelkeit und epigastrische Schmerzen zeigt Abb. 5.
Abb. 5. Häufigkeit der Symptome Übelkeit und epigastrische Schmerzen nach zunehmenden Dosen von
Eisen(II)-Sulfat-Tabletten über 2 Wochen (nach Hallberg et al. Lit. 26)
Es gab keine signifikanten Unterschiede zwischen verschiedenen Eisenverbindungen wie Eisen(II)-Sulfat-, -
Fumarat, - Glukonat,-, Eisen(II)-Glycin-Sulfat, Eisen(II)-Sulfat plus Bernsteinsäure, Eisen(II)-Succinat (Abb. 6.5). Bis
zu 10 % der Personen brachen die Therapie über 2 Wochen ab.
Abb. 6. Häufigkeit von Nebenwirkungen nach Gabe von verschiedenen Eisenverbindungen. Dosis jeweils 3 x 60 mg
Fe/Tag (nach 26)
Vitamin C, als Zusatz zu Eisenpräparaten, steigerte in einer kleinen Serie aus 30 Probanden die Häufigkeit von
angegebenen Nebenwirkungen (27). Ähnlich wirkten auch andere Zusätze wie Sorbitol, Mannitol oder Xylose, die als
Stimulatoren der Absorption ausprobiert wurden.
Es wurden verschiedene Versuche unternommen, die Inzidenz von Nebenwirkungen dadurch zu verringern, dass
„slow-release“-Präparate konzipiert wurden, die jeweils nur langsam Eisen freisetzen.
Es kann postuliert werden, dass wenn Eisen aus einem Präparat nicht freigesetzt wird, bevor es den Magen passiert
hat, es zu weniger Nebenwirkungen kommt. Allerdings gefährdet diese verzögerte Wirkstofffreisetzung eine
möglichst hohe Bioverfügbarkeit. Einige solcher Präparate sind nur offenbar sehr schlecht wirksam (28). Andere
scheinen bei akzeptabler Wirksamkeit auch eine bessere Verträglichkeit zu haben. Insbesondere für diese
aufwendigen Eisenpräparate ist der individuelle Nachweis einer verbesserten Verträglich bei gleichzeitig gegebenen
hohen Wirksamkeit unbedingt erforderlich. Am Bespiel des Eisen(III)-Hydroxy-Polymaltose-Komplexes kann man in
der Literatur viele Aussagen über eine optimale Verträglichkeit finden, während kritische Studien diesem Präparat bis
heute unwiderlegt eine praktisch nicht-vorhandene Bioverfügbarkeit bescheinigen.
Neuere, detaillierte Studien über die Toleranz von oralen Eisenpräparaten im Vergleich sind eher Mangelware. Hier
gibt es meist nur Angaben zu einzelnen neuen Präparaten. In einer Studie aus dem Jahr 1993 wurden z.B. 549
Patienten mit Eisenmangel 60 Tage mit einem Präparat Eisen-Protein-Succinate-Komplex behandelt (Dosis 2x 60
mg/Tag) und mit einer Kontrollgruppe aus 546 Patienten, die mit einer kommerziellen Medikation von „controlled-
release“ Eisen(II)-Sulfat (1x 105 mg) behandelt wurde, verglichen. Bei gleicher Wirksamkeit gaben 63 Patienten
(11.5%) aus der untersuchten Gruppe 69 adverse Reaktionen an (25 mal Sodbrennen, 19 Verstopfung, 25
abdominale Schmerzen) gegenüber 141 Ereignissen in der Kontrollgruppe bei 127 Patienten (26.3%) (33 mal
Sodbrennen, 31 epigastrische Schmerzen, 23 Verstopfung, 32 abdominale Schmerzen, 8 Hautausschläge, 14
Übelkeit). (29). Bei dieser Studie fällt die Häufigkeit von Nebenwirkung in der Kontrollgruppe untypisch hoch für
Eisen(II)-Sulfat bei dieser Dosierung auf, während die Häufigkeit in der verum-Gruppe der Placeborate entspricht.
Eine andere Art von aktuellen Studien zu Nebenwirkungen von oraler Eisentherapie ist der Vergleich mit einem
parenteralen Eisenpräparat. In diesen Studien soll die bessere Verträglichkeit der jeweiligen i.v. Gabe nachweisen
werden, was meist problemlos gelingt, weil hierbei keine gastrointestinalen Nebenwirkungen zu erwarten sind. Ein
Beispiel ist eine Studie von Schröder et al. in der 46 Patienten mit Eisenmangelanämie entweder Eisen-Sucrose i.v.
über 5 Wochen oder oral Eisen(II)-Sulfat (100-200 mg Fe/Tag) über 6 Wochen erhielten. Bei ansonsten gleicher
Wirksamkeit (Hb-Anstieg) brachen 5 Patienten (20.8 %) die orale Eisentherapie ab, während nur 1 Patient (4.5 %)
aus der i.v.-Gruppe wegen Nebenwirkungen nicht weiterbehandelt wurde (30). Auch hier stellt sich die Frage nach
einer ungewöhnlich hohen Zahl von Nebenwirkungen in dem oralen Arm.
Zusammenfassung
Eine orale Eisentherapie führt nicht außergewöhnlich häufig zu Unverträglichkeitsreaktionen. Eine normal dosierte
Eisentherapie von 100 mg Fe(II)Tag dürfte bei den meisten Eisenpräparaten im Rahmen der Placebo-
Nebenwirkungsrate von 12-14 % liegen.
Nach unserer Erfahrung ist die Aufklärung des Patienten über Sinn und Dauer einer Eisentherapie besonders
wichtig, um die Akzeptanz der Therapie zu erhöhen. Hilfreich dabei die Information, dass Eisen kein übliches
Medikament ist, sondern ein essentielles Spurenelement, das dem Patienten bei Eisenmangel fehlt. Häufig sind
Reaktionen wie Verstopfung oder Durchfall auch transienter Art, weil sich die Darmbakterien auf die hohe
Eisendosierung im Dickdarm einstellen müssen.
Wege, um eine adverse Effekte einer Eisentherapie zu minimieren
•
Aufklärung über den Sinn und notwendige Dauer einer Eisentherapie
•
keine unnötig hohen Dosis (Tagesdosis meist 100 mg Fe/Tag ausreichend)
•
Einnahmezeitpunkt vor dem Mittagessen oder vor dem Abendessen
•
Tagesdosis in mehrere Portionen auf den Tag verteilen
•
Wechsel zu anderem Eisenpräparat
•
Einnahme zusammen mit der Mahlzeit (setzt die Wirksamkeit um 40-60 % herab!)
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