Abb.1.
Angegebene Symptome bei Patienten mit (rot) und ohne (blau) Eisenmangel (logarithmische Skala) (1)
Ein Problem bei solchen Studien ist die Häufigkeit von unspezifischen Symptomen wie Müdigkeit, physische
Schwäche, schnelle Erschöpfbarkeit bei allen Patienten, die Ärzte aufsuchen. Bei dieser Auswertung waren nur
„Bleiche Haut und Schleimhäute“, „Kurzatmigkeit“ und „Schwindelgefühl beim Aufstehen“ signifikant häufiger bei
Patienten mit Eisenmangel.
In der Literatur wird deshalb meist das Bild beschrieben, das nur eine Eisenmangelanämie eindeutige klinische
Auswirkungen zeigt. Dabei zeigen Untersuchungen ziemlich eindeutig, dass auch ein leichter Eisenmangel (Serum-
Ferritin < 20-35 µg/L) Symptome wie Müdigkeit, Unkonzentriertheit, etc. verursachen kann. Da diese dem Hausarzt
geschilderten Symptome, nicht spezifisch für Eisenmangel sind (s.o), kann die kausale Verbindung am besten durch
Interventionsstudien bewiesen werden, die Änderungen der klinischen Beschwerden nach einer Behandlung mit Eisen
gegenüber einer Placebogabe aufzeigen (Tab. 1).
Tabelle 1: Symptome von Eisenmangel mit und ohne Anämie nachgewiesen in Doppelblind-Interventionsstudien
Die Eisenmangelanämie schafft also keinesfalls erstmals eine Symptomqualität, sondern sie ist wichtig, weil sie einen
schweren Eisenmangel im Knochenmark auf diagnostisch einfache Weise anzeigt. Dieser Eisenmangel herrscht aber
dann auch in anderen Geweben und kann dort Symptome verursachen, was diagnostisch nicht so einfach
nachzuweisen ist.
Ein schwerer, chronischer Eisenmangel kann zu progressiven, trophischen Veränderungen und Schäden in Geweben
vor allen an Haut und Schleimhäuten führen, die man am häufigsten bei stark wachsenden Kindern aber auch bei
jungen Frauen mit Eisenmangel findet:
•
Mundwinkelrhagaden
•
brüchige Nägel und Haare
•
Plummer Vinson-Syndrom (Sideropenische Dysphagie)
(13)
Manche Patienten mit schwerem Eisenmangel entwickeln eine Pica, eine seltene Essstörung, bei der Menschen Dinge
zu sich nehmen, die keine Nahrungsmittel sind und allgemein als ungenießbar gelten (Kreide, Bleistifte, Tapeten etc.),
und die meist gar nicht besonders eisenreich sind. Die Behandlung mit Eisen bessert diese Symptomatik in vielen
Fällen (14).
Durch die Anämie ergeben sich zusätzliche klinische Beschwerden, die auch von anderen Anämieformen bekannt sind
und nicht spezifisch für Eisenmangel sind wie
•
Blasse Haut, schwach durchblutete Schleimhäute
•
Herzrasen und Herzklopfen
•
Kurzatmigkeit, vor allem unter physischer Belastung
•
Fatique, Müdigkeit
Fatigue ist ein unspezifisches Symptom verbunden mit Antriebslosigkeit, Kurzatmigkeit, körperlicher Erschöpfung und
ständig lähmender Müdigkeit, Ermattung schon bei den einfachsten Verrichtungen. Das chronische Fatique-Syndrom
ist sehr häufig und sehr belastend für den Patienten bei schweren chronischen Erkrankungen wie Tumorerkrankungen
oder Multipler Sklerose. Es ist aber schon sehr lange bekannt, dass bei einer Gruppe von Patienten ein
Zusammenhang zwischen Fatique und Eisenmangel besteht und dass eine Eisentherapie in vielen Fällen wirksam ist
(2, 3,15,16).
In einer Studie von Verdon et al. wurden 144 nicht-anämische Frauen im Alter von 18-55 Jahren (mittleres Serum-
Ferritin 30 µg/L) mit 80 mg Fe(II)/Tag oder mit Placebo über 4 Wochen behandelt (2). Häufigkeit und Schweregrad
verminderten sich deutlich in der Eisengruppe. Eine Subgruppenanalyse zeigte, dass nur Frauen mit Ferritin < 50 µg/L
von der Eisenmedikation profitierten.
Unterstützt wurden diese Ergebnisse auch durch eine Untersuchung an einer großen Gruppe von Patientinnen in San
Diego (18). In nicht-anämischen Patienten mit Eisenmangel war Fatique, Reizbarkeit und die Häufigkeit von
Kopfschmerzen höher als in Personen mit normalen Eisenreserven (Abb. 2).
Abb. 2.
Häufigkeit von Symptomen bei Patienten mit Eisenmangel ohne Anämie (rote Balken, Serum Ferritin < 21
ng/ml, Hb > 12 g/dl, n=616) gegenüber Kontrollpersonen (blaue Balken, n=10426) (Lit 18)
Beeinträchtigung der kognitiven Funktion
Der Einfluss von Eisenmangel auf das Gehirn ist Gegenstand intensiver Untersuchungen an Versuchstieren und am
Menschen, z.B. Neugeborenen und kleinen Kindern, oder an Erwachsenen. Diese Studien sind aufwendig und
kompliziert, am Versuchstier evtl. wenig repräsentativ für den Menschen und am Patienten aus ethischen Gründen nur
eingeschränkt möglich. Demzufolge ist die Diskussion über die Auswirkung von Eisenmangel mit und ohne Anämie auf
die kognitive Funktion momentan nur als vorläufig zu betrachten.
Das menschliche Gehirn ist im letzten Drittel der Schwangerschaft und in den ersten beiden Lebensjahren am
empfindlichsten für einen Nährstoffmangel, weil es in dieser Phase am stärksten wächst (“brain growth spurt”). Eisen
wird für wichtige Hirnfunktionen benötigt wie z.B. für die Myelinisierung und die Synthese der Neurotransmitter
Serotonin und Dopamin (19). In vielen, meist kleineren Studien wurde die Wirkung von Eisenmangel auf die kognitive
Entwicklung und das Verhalten von Kindern untersucht. Dazu wurden verschiedene Testverfahren angewendet, die die
kognitiven Funktionen messen (z.B. Intelligenzquotient, verbales und quantitatives Lernen, Gedächtnis,
Aufmerksamkeit).
Trotz der großen organisatorischen und auch methodischen Schwierigkeiten, solche Studien an sehr kleinen Kindern in
der 3. Welt durchzuführen, herrscht eine gewisse Übereinkunft zu folgenden Aussagen (20-22):
•
irreversible Schädigung des Gehirns durch Eisenmangelanämie bei Kinder < 2 Jahren
•
Intervention bei Eisenmangelanämie Kinder > 2 Jahren ist wirksam, kognitive Leistungen verbessern sich
•
Eisenmangel ohne Anämie zeigt möglicherweise einen geringeren Effekt bei Kindern
•
bei Versuchstieren erklärt eine Anämie per se nicht die Gehirnschädigung
Angesichts der Häufigkeit und Schwere von Eisenmangel in Entwicklungsländern wird Sinn und Nutzen einer
effektiven Eisensubstitution und -rophylaxe insbesondere bei Kindern nicht in Frage gestellt, gleichzeitig werden aber
weitere Studien angemahnt, die den kausalen Zusammenhang zwischen Eisenmangel und Gehirnfunktion besser
aufklären sollten (23).
Methodisch einfacher durchzuführen sind Studien an Erwachsenen. Hier zeigt sich überraschend eindeutig, dass ein
Eisenmangel auch auf das nicht-wachsende Gehirn Auswirkung auf kognitive Funktionen haben kann. Murray-Kolb et
al. haben junge Frauen im Alter von 18-35 Jahren in Abhängigkeit vom Eisenstatus untersucht (24). Basal war ein
Unterschied in den Testergebnissen zwischen Personen mit und ohne Eisenmangel festzustellen. Nach Behandlung
verbesserten sich diejenigen Frauen in Testergebnissen betreffend Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Lernvermögen um
den Faktor 5-7, die einen Ferritinanstieg zeigten, während non-Responder gleich blieben (Abb. 5.2). Auch der
Schweregrad des Eisenmangels hatte einen Einfluss. Die Autoren folgerten, dass die Anämie die Schnelligkeit bei der
Lösung der kognitiven Aufgaben herabsetzt, während der Eisenmangel die Präzision der Aufgabenlösung negativ
beeinflusst.
Physisches Leistungsvermögen
Bei Sportlern ist bekannt, dass eine Anämie die aerobe Leistungsfähigkeit reduziert, weil eine reduzierte
Erythrozytenmasse nur vermindert Sauerstoff zum Gewebe transportieren kann (25).
Drei kürzlich publizierte, randomisierte, Placebo-kontrollierte Studien zeigen darüber hinaus, dass auch die
Leistungsfähigkeit bei erschöpften Eisenspeichern vermindert ist, auch wenn der Hb-Wert stets im Normalbereich
liegt. In einer Studie von Hinton et al. erhielten 42 nicht-anämische Frauen mit Speichereisenmangel 2x10 mg Fe(II)
oder Placebo über 6 Wochen (6) . Nach einem 4-wöchigen Ausdauertraining war die Verbesserung einer 15 km
Laufzeit doppelt so hoch in der Eisengruppe wie in der Placebogruppe. Hb und VO2 max wurden nicht beeinflußt.
Abb. 3.
Änderungen in der Leistungsfähigkeit (z-Score) von Lern-, Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsaufgaben bei jungen
Frauen (18-35 Jahren) vor und nach Behandlung mit 60 mg Fe(II)/Tag über 16 Wochen (modifiziert nach 24).
In einer Studie von Friedmann et al. wurden 40 junge Elite-Athleten mit niedrigem Serum-Ferritin randomisiert in eine
Eisen- und eine Placebogruppe (7). Eine Therapie mit 100 mg Fe(II) in der Eisengruppe über 12 Wochen führte zu
einem signifikanten Anstieg von VO2max und die Leistungsfähigkeit in einem intensiven Laufbandtest, der in 2-4
Minuten zur Erschöpfung führt, war verbessert. In einer Untersuchung von Brutsaert et al wurden 20 untrainierte
nicht-anämische Frauen mit 2x10 mg Fe(II) oder Placebo für 6 Wochen behandelt (8). In der Eisengruppe war eine
Verbesserung des Ermüdungswiderstandes bei einem dynamischen Beinstreckertest feststellbar.
Haarausfall
Haarausfall ist ein häufiges Zeichen, über das ca. 25 % aller Frauen in westlichen Ländern klagen. Der
Zusammenhang zwischen Eisenmangel und den häufigsten Formen von Haarausfall (diffuse Alopezie bei Frauen,
telogenes Effluvium oder Alopecia areata) wird sehr kontrovers diskutiert. In einigen Arbeiten wird ein Zusammenhang
zwischen niedrigem Serum-Ferritin-Werten mit der Häufigkeit von Haarausfall gefunden, in anderen nicht (26-28). Der
Mechanismus, wie ein Eisenmangel Haarausfall verursacht, ist nicht bekannt. Die eisenabhängige Ribonukleotide-
Reduktase ist der geschwindigkeitsbestimmende Faktor der DNA-Synthese. Die Haarfollikel-Matrix-Zellen sind schnell
teilenden Zellen, die empfindlich auf eine mangelhafte Eisenversorgung reagieren können.
Ein überraschender molekularer Zusammenhang zwischen Haarausfall und Eisen ergab sich durch Untersuchung der
Regulation der Hepcidinsynthese (29). TMPRSS6, eine Serin-Protease, baut das stimulierende Signal über
Hämojuvelin und BMP6 ab und wird in einigen Arbeiten als der Sensor für Eisenmangel bezeichnet, was eine potentiell
besonders wichtige Rolle im Eisenstoffwechsel herausstreicht. Eine Maus mit einer Mutation in diesem Gen zeigt
einen Phänotyp, bei dem es durch Füttern einer normalen Diät zu einer schweren Eienmangelanämie durch
hochregulierte Hepcidinsynthese kommt. Außerdem verlieren die Tiere kurz nach der Geburt sämtliche Körperhaare,
die durch Füttern einer eisenreichen Diät nachwachsen.
Wahrscheinlich ist also, dass eine gewisse Menge an Eisen unabdingbare Voraussetzung für ein normales
Haarwachstum ist. Wenn dies vorhanden ist, spielen viele andere Faktoren eine wichtigere Rolle und es ist deshalb
schwierig in den kleinen Versuchs- und Kontrollgruppen einiger Studien, die Auswirkung von Eisenmangel signifikant
nachzuweisen.
Größere und gezielter ausgewählte Studien sind notwendig, um den Zusammenhang zwischen Eisenmangel und
Haarausfall am Patienten nachzuweisen und den Nutzen einer Eisentherapie als Therapieprinzip in einer Untergruppe
von Patienten mit Haarausfall auf rationalere Füße zu stellen.
Von verschiedenen Seiten wird aber jetzt schon empfohlen, bei Patienten mit Haarausfall den Eisenstatus zu
untersuchen. Bei Probanden mit niedrigen Serum-Ferritinwerte (< 70 µg/l) wird eine orale Eisentherapie über 4-6
Wochen empfohlen.
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Symptome Eisenmangel
Bei ungenügender Eisenzufuhr leeren sich die
Eisenspeicher meist langsam, was anfangs nur
schleichende Auswirkungen auf unser Wohlbefinden hat,
die lange Zeit kaum wahrgenommen werden. Sind die
Speicher aber leer, steht zu wenig Eisen für die
Erythropoese zur Verfügung. Ab diesem Zeitpunkt
beansprucht die Blutbildung die noch vorhandene
Eisenversorgung bevorzugt für sich, je schwerer die
Anämie, desto dringlicher.
In einer eigenen Studie wurden Symptome abgefragt bei
801 Patienten, die bei niedergelassenen Ärzten auf
Eisenmangel untersucht wurden. Abb.5.1 zeigt eine
graphische Auswertung von Symptomen bei Patienten
mit Eisenmangelanämie im Vergleich zu normalen
Probanden (1).
.
Eisentherapie
alterthümliche Form der
Eisentherapie. Fruchtsäure löst
kleine Mengen Eisen auf.