Wenn das Gleichgewicht zwischen Eisenaufnahme und Eisenbedarf über längere Zeit gestört ist (negative
Eisenbilanz), werden anfangs die physiologischen Eisenspeicher abgebaut, später kommt es zur
Beeinträchtigung von verschiedenen Stoffwechselwegen. (Abb. 1). Ein Eisenmangel im klassischen Sinne
meint einen absoluten Mangel an Eisen im Körper (2,3). Ein neuer Begriff ist der „funktionelle
Eisenmangel“, bei dem vorhandenes Eisen aus bestimmten Gründen für einen ggf. erhöhten Bedarf, z.B.
im Knochenmark, nicht ausreichend (schnell) genutzt werden kann (4).
Risikogruppen für Eisenmangel
Viele Menschen leiden weltweit an Eisenmangel mit oder ohne Anämie. Global gesehen ist die häufigste Ursache eine
dem normalen Eisenbedarf nicht entsprechende Ernährung mit ausreichend bioverfügbarem Eisen. Diese
Mangelernährung betrifft vorwiegend Kinder und Frauen in Entwicklungsländern. In wirtschaftlich entwickelten Ländern
ist die Ernährungssituation deutlich besser und hier finden wir einen leichten Eisenmangel vorwiegend in Risikogruppen
mit individuell erhöhtem Eisenbedarf. Ein schwerer Eisenmangel kann hier im Einzelfall auch Symptom von
pathologischen Blutverlusten sein, was medizinisch bedeutsam ist.
Eisenmangel in Entwicklungsländern
Global betrachtet wird der Mangel an dem Spurenelement Eisen als Faktor 9 von 26 Risikofaktoren im „Global Burden
Disease Projekt 2000“ der Weltgesundheits-organisation (WHO) aufgelistet (5,6). Eisenmangel ist verantwortlich für
841 000 Todesfälle und 35 057 000 durch Krankheit verursachten Lebenszeitverlust in Jahren. Afrika und Teile von
Asien tragen davon den Hauptteil (71%) der globalen Mortalität, während wirtschaftlich entwickelte Kontinente wie
Nordamerika nur zu 1.4% betroffen sind. Unter den Ernährungsfaktoren gehört Eisenmangel zu den großen vier
Defiziten (Proteinmangel, Jod, Vitamin-A, Eisen). Eine fleischarme, überwiegend vegetarische Ernährung ist oft aus
der Not heraus oder auch traditionell zu einseitig zusammengestellt, um den Eisenbedarf zu decken. Vielfach tragen
auch Hemmstoffe der Eisenabsorption entscheidend dazu bei, dass Nahrungseisen nicht genügend bioverfügbar ist.
Weltweit sind in den letzten Jahren bereits große Anstrengungen unternommen worden, die Situation in der dritten Welt
zu verändern. Nach Meinung von UNICEF sind dabei bereits Erfolge erzielt worden, die auch zu einer leichten
Abnahme von Eisenmangel bei kleinen Kindern geführt haben (7).
Eisenmangel in wirtschaftlich entwickelten Ländern
In wirtschaftlich entwickelten Kontinenten wie Nord-Amerika oder Europa ist Eisenmangel weniger häufig und der
Ausprägungsgrad ist meist leichter. 1 bis 3% der erwachsenen Männer und der post-menopausalen Frauen zeigen eine
Eisenmangelanämie (8,9). Wesentlich häufiger kommt aber ein Eisenmangel ohne Anämie vor. Schätzungen gehen
aus von bis zu 30 % der Mitglieder von Risikogruppen. Ein substantieller Eisenmangel entwickelt sich, wenn der
individuelle Eisenbedarf längere Zeit nicht durch die Nahrungseisenaufnahme gedeckt werden kann. Risikogruppen für
Eisenmangel weisen einen oder eine Kombination von mehreren Faktoren auf:
Nicht-adäquate Nahrungseisenzufuhr
•
Vegetarier insbes. Veganer,
Personen mit Essstörungen wie Anorexia oder Bulimia nervosa, Malnutrition bei
niedrigen sozialem Status, „neue Armut”, bei Teenagern und Senioren, Mangel- oder Fehlernährung in
Entwicklungsländern.
•
Eingeschränkte Eisenabsorption
: atrophische Gastritis bei Älteren, Zöliakie, entzündliche Darmerkrankungen,
hoher Konsum von Hemmstoffen der Eisenabsorption (Phytate, Polyphenole, Sojaprotein, Calcium).
•
Gesteigerter Bedarf
: Kinder in Wachstumsphasen, Schwangere, postpartum, stillende Frauen, menstruierende
Frauen, Ausdauersportler, post-operative Patienten.
•
Erhöhter Eisenverlust:
Dauerblutspender, Frauen mit Hypermenorrhoen, pathologische Blutverluste.
Klinische Symptome von Eisenmangel
Bei ungenügender Eisenzufuhr leeren sich die Eisen- speicher meist langsam, was anfangs nur schleichende
Auswirkungen auf unser Wohlbefinden hat, die lange Zeit kaum wahrgenommen werden. Sind die Speicher aber leer,
steht zu wenig Eisen für die Erythropoese zur Verfügung. Ab diesem Zeitpunkt beansprucht die Blut-bildung die noch
vorhandene Eisenversorgung bevorzugt für sich, je schwerer die Anämie, desto dringlicher. In der Literatur wird
deshalb meist das Bild beschrieben, das nur eine Eisenmangelanämie eindeutige klinische Auswirkun-gen zeigt. Dabei
zeigen Untersuchungen ziemlich ein-deutig, dass auch ein leichter Eisenmangel (Serum-Ferritin < 20-35 µg/L)
Symptome wie Müdigkeit, Unkon-zentriertheit, etc. verursachen kann. Da diese dem Hausarzt geschilderten
Symptome, nicht spezifisch für Eisenmangel sind (s.o), kann die kausale Verbindung am besten durch
Interventionsstudien bewiesen werden, die Änderungen der klinischen Beschwerden nach einer Behandlung mit Eisen
gegenüber einer Placebogabe aufzeigen.
Symptome von Eisenmangel
•
Müdigkeit („Fatigue“)
•
Beeinträchtigte Kognitive Funktion (Konzentration, Gedächtnis/Aufmerksamkeit)
•
Verminderte aerobe Leistungsfähigkeit und/oder schnellere Muskelermüdung
•
depressive Stimmung, Ängstlichkeit
•
Beeinträchtigung der Thermoregulation (Kältegefühl, aufsteigende Hitze)
•
Schäden an Haar und Nägeln; Haarausfall
•
„Restless Legs Syndrom“
•
Schlafstörungen
•
Beeinträchtigung Immunsystem
Auf einige dieser „eisenspezifischen Symptome“ wird in den folgenden Abschnitten noch näher eingegangen.
Die Eisenmangelanämie schafft also keinesfalls erstmals eine Symptomqualität, sondern sie ist wichtig, weil sie einen
schweren Eisenmangel im Knochenmark auf diagnostisch einfache Weise anzeigt. Dieser Eisenmangel herrscht aber
dann auch in anderen Geweben und kann dort Symptome verursachen, was diagnostisch nicht so einfach
nachzuweisen ist.
Ein schwerer, chronischer Eisenmangel kann zu progressiven, trophischen Veränderungen und Schäden in Geweben
vor allen an Haut und Schleimhäuten führen, die man am häufigsten bei stark wachsenden Kindern aber auch bei
jungen Frauen mit Eisenmangel findet:
•
Mundwinkelrhagaden
•
brüchige Nägel und Haare
•
Plummer Vinson-Syndrom (Sideropenische Dysphagie)
Manche Patienten mit schwerem Eisenmangel entwickeln eine Pica, eine seltene Essstörung, bei der Menschen Dinge
zu sich nehmen, die keine Nahrungsmittel sind und allgemein als ungenießbar gelten (Kreide, Bleistifte, Tapeten etc.),
und die meist gar nicht besonders eisenreich sind. Die Behandlung mit Eisen bessert diese Symptomatik in vielen
Fällen.
Durch die Anämie ergeben sich zusätzliche klinische Beschwerden, die auch von anderen Anämieformen bekannt sind
und nicht spezifisch für Eisenmangel sind wie:
•
Blasse Haut, schwach durchblutete Schleimhäute
•
Herzrasen und Herzklopfen
•
Kurzatmigkeit, vor allem unter physischer Belastung
Therapie von Eisenmangel
Es gibt gute Argumente dafür, dass jede Form des Eisenmangels mit und ohne Anämie behandelt werden sollte.
Ähnlich wie bei anderen essentiellen Mineralien und bei allen Vitaminen, gilt es auch den Mangel an Eisen umgehend
und ausreichend zu behandeln. Dabei ist die Sorge um Schäden durch eine Eisenüberladung solange irrelevant,
solange der Eisenmangel besteht. Auch für Eisen gilt eine typische U-förmige Risikokurve (Abb. 2.):
Ziel einer Eisentherapie sollte sein, den Eisenmangel zu beseitigen und normale Eisenspeicher anzulegen, wie sie in
der Evolution für einen Menschen ausdrücklich physiologisch gewollt sind.
Abb. 2:
Risikoprofil für Eisenmangel und Eisenüberladung. Es gibt eine physiologische Konzentration von normalen
Eisenreserven, begrenzt an beiden Seiten von suboptimaler oder superoptimaler Eisenversorgung, bei denen jeweils
anfangs nur geringe Effekte zu erwarten sind. Schwere klinische Symptome sind bei schwerem Mangel und
Überladung von Eisen zu erwarten.
Literatur Eisenmangel
1.
Bothwell TH, Charlton RW, Cook JD, Finch CA. Iron metabolism in man. Oxford, UK: Blackwell Sci. 1979.
2.
Baynes RD. Iron deficiency. In: Brock JH, Halliday JW, Pippard MJ, Powell LW, eds. Iron metabolism in health and
disease. London: Saunders, 1994:190-225.
3.
WHO/NHD/01.3. Iron deficiency anemia assessment, prevention, and control. World Health Organization, 2001.
4.
Cavill I, Macdougall IC. Functional iron deficiency. Blood, 1993; 82: 1377
5.
Stoltzfus RJ. Iron deficiency: global prevalence and consequences. Food Nutr Bull 2003; (4 Suppl):S99-103
6.
Global Programme on Evidence for Health Policy Discussion Paper No. 36 World Health Organization November
2001
7.
Zimmermann MB, Chaouki N, Hurrell RF. Iron deficiency due to consumption of a habitual diet low in bioavailable
iron: a longitudinal cohort study in Maroccan children. Am J Clin Nutr 2005;81:115–21
8.
Cook JD, Flowers CH, Skikne BS. The quantitative assessment of body iron. Blood 2003;101:3359–64Vitamin &
mineral deficiency, a global progress report. UNICEF März 2004
© www.eiseninfo.de
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Eisenmangel
Definition von Eisenmangel
Eisen ist ein essentielles Spurenelement, das dem
menschlichen Körper mit der Nahrung zugeführt werden
muss (1). Bei einem ausgeglichenen Eisenhaushalt weisen
Männer einen höheren Gesamtkörpereisengehalt auf als
Frauen (50 mg/kg gegenüber 38 mg/kg) (1,2). Das liegt zum
einem an der höheren Erythrozyten- und
Skelettmuskelmasse bei Männern, zum anderen auch an
der höheren Menge an Speichereisen in Knochenmark,
Leber und Muskulatur (Männer 500 – 1000 mg,
prämenopausale Frauen 300 – 400 mg).
Eisenmangel
altertümliche Therapie des
Eisenmangels (wenig wirksam!)
Abb. 1 Negative Eisenbilanz, d.h.
Verschiebung des Gleichgewichtes
zwischen Eisenaufnahme über die
Nahrung oder Therapie und dem
Eisenbedarf bzw. Eisenverlust.