Eisen-Präparate mit schneller Freisetzung
Die Präparate wurden entweder vom Hersteller mit 59Fe markiert oder durch Neutronaktivierung von kommerziell
erhältlichen Proben radioaktiv erhalten.
Die Ergebnisse zeigten deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Eisen-Präparaten. Eine Gruppe von
diesen Medikamenten setzen Eisen schnell frei und zeigten sowohl bei Normalpersonen (7.5-8.5 %) als auch bei
Eisenmangel (14-18 % aus der 100 mg Dosis) eine hohe Absorption und im Vergleich zur Referenz (lösliches
Eisenascorbat) eine hohe relative Bioverfügbarkeit.
Tabelle 2. Eisenabsorption und relative Bioverfügbarkeit von verschiedenen Eisenpräparaten in Personen mit
normalen Eisenreserven (N) bzw. Eisenmangel (E). Einzeldosis von 59Fe-markierten Präparaten wurden oral
appliziert und die 59Fe-Ganzkörperretention nach 14-21 Tagen gemessen (Lit 3).
Die Ergebnisse der Studien mit 59Fe-markierten Präparate wurden zeitgleich von Dietzfelbinger mit der Methode
der Postabsorptions-Serum-Eisen-Anstiegskurven verglichen und die gleichen drei Gruppen mit unterschiedlicher
Bioverfügbarkeit gefunden (12). „Quick-release“-Präparate mit schneller Wirkstofffreisetzung sind wirksam, stehen
aber im Verdacht, durch die Freisetzung von Eisen im Magen, vermehrt zu Unverträglichkeitsreaktionen zu führen.
Eine Besonderheit ist ferro sanol® duodenal, bei dem der Wirkstoff in Mikropellets gepresst ist, die mit einem
säureresistenten Lack überzogen sind. Bei diesem Präparat geht die Gelatine-Steckkapsel im Magen auf, der
Wirkstoff wird aber erst bei dem neutralem pH im Duodenum freigesetzt. Aufgrund der großen Oberfläche
geschieht dies relativ schnell, der Hersteller spricht von einem „quick-duodenal-Release“-Präparat.
Eisen-Präparate mit verzögerter Eisenfreisetzung
Da Eisen nicht im Magen- sondern vorwiegend im Duodenum absorbiert wird, wurde schon frühzeitig begonnen,
Präparate mit verzögerter Freisetzung zu entwickeln, um sie für den Patienten besser verträglich zu gestalten.
Dies geht aber oft zu Lasten einer relativ schlechten Bioverfügbarkeit, wie schon von Heinrich gezeigt wurde
(Tabelle 2). Das oben erwähnte ferrosanol duodenal® duodenal ist ein gelungener Versuch, die Verträglichkeit zu
verbessern und dabei die Bioverfügbarkeit möglichst zu erhalten. Bei allen diesen Präparaten kann man im
Einzelfall keine theoretischen Vorhersagen machen, wie gut verträglich und wie wirksam diese Präparate in der
Praxis wirklich sind. Hier ist es also besonders wichtig, dass die Bioverfügbarkeit hinreichend untersucht wird.
Wir haben in verschiedenen Studien, die therapeutische Wirksamkeit von Eisenpräparaten in Patienten mit
Eisenmangelanämie untersucht (6,15). Es handelte sich dabei um Patienten, bei denen die Ursache für eine
Eisenmangelanämie unklar war und die in unsere Eisenstoffwechselambulanz zur Quantifizierung von möglichen
Blutverlusten überwiesen wurde. Alle Patienten erhielten eine kleine Dosis 59Fe(II)-Ascorbat (0. 56 mg=10uMol)
oral auf nüchternen Magen. Mit dieser Testdosis kann nach 7-10 Tage der Anteil von retiniertem Eisen im
Ganzkörper gemessen werden. Im Regelfall werden bei Eisenmangelanämie > 90 % der Dosis bei
Eisenmangelanämie absorbiert und in das Hämoglobin neugebildeter, im Blut zirkulierender Erythrozyten
eingebaut. Durch Messung der 59Fe-Ganzkörperretention (normal < 0.08 %/Tag) und der 59Fe-Blutaktivität im
weiteren Verlauf kann individuell ein bestehender Blutverlust nachgewiesen und zwischen den Messintervallen
genau quantifiziert werden (untere Nachweisgrenze ca. 3-4 ml/Tag).
Im Beobachtungszeitraum von 6-10 Wochen wurde mit einem oralen Eisenpräparat therapiert und der
Hämoglobinverlauf verfolgt. Aus dem individuell gemessenen Blutverlust, der Blutaktivität, dem Blutvolumen und
dem Hb-Anstieg kann die so genannte Eisenutilsation (mg/Tag) berechnet werden, ein Maß wie viel Eisen aus der
Dosis des jeweiligen Medikamentes für die Neublutbildung verwendet werden kann.
In diesen Studien zeigten sich immer wieder, dass > 80 % der anämischen Patienten weiter Blut verlieren
(Hypermenorrhoe, gastrointestinale Blutverluste). Kann man in Studien diesen Eisenverlust nicht bestimmen, dann
unterschätzt der gemessene Hämoglobinanstieg substantiell die berechnete Fe-Utilisation.
Tabelle 3 zeigt den Vergleich von verschiedenen oralen Eisenpräparaten in der Therapie von Patienten mit
Eisenmangelanämie (Daten aus 6,15, 18, oder unpubliziert) über 6-10 Wochen.
Tabelle 3: Bioverfügbarkeit von verschiedenen Eisenpräparaten. Die Eisenutilisation (Fe-util) gibt die Menge an
Eisen in mg/Tag) an, die von der Neublutbildung verwendet werden kann. Brücksichtigt ist dabei der Hb-Verlauf
und der individuelle Eisenverlust durch einen evtl. Blutverlust.
Von gut bioverfügbaren Eisenpräparaten werden danach im Mittel 10-15 mg Eisen aus einer Tagesdosis von 100
mg Eisen aufgenommen und der Erythropoese zur Verfügung gestellt. In der Praxis findet sich kein Unterschied
zwischen einem „Quick-release“-Präparat wie Eryfer® und zwei Präparaten mit etwas verzögerter
Eisenfreisetzung, die eine verbessere Verträglichkeit für sich reklamieren, ferro sanol® duodenal und Tardyferon®.
Hershko et al haben unlängst bei einer Gruppe von 39 Patienten mit Eisenmangelanämie und Helicobacter-Pylori-
Infektion ferro sanol® duodenal im Vergleich zu anderen oralen Eisenpräparaten eingesetzt. 33 von 39 Patienten
zeigten während 1 bzw 3 Monaten einen Hb-Anstieg von > 2 g/dl gegenüber 18 von 39 in der Vergleichsgruppe
(19).
Dass es Unterschiede zwischen verschiedenen zweiwertigen Eisenpräparaten gibt zeigt auch das Beispiel von
Ferrokapsul, einer Fe(II)-Fumarat-Verbindung, die inzwischen vom deutschen Markt genommen wurde (s. Tab. 3,
Abb. 3).
Abb. 3 zeigt die Therapie bei einem Patienten mit einer chronischen Blutung aus dem Dünndarmbereich. Die
Therapie mit Ferrokapsul® kann die Anämie nicht auffangen, der Hb-Wert fällt weiter ab. Die Therapie mit ferro
sanol® duodenal schafft dies problemlos, der Hb-Wert normalisiert sich langsam trotz der fortbestehenden
Blutverluste.
Eisen-(III)-Präparate
Seit Anfängen der oralen Eisentherapie ist bekannt, dass Eisen(III)-Präparate schlechter wirksam sind als
Eisen(II)-Präparate (1,2). Der Grund ist zum einen in der extrem schlechten Löslichkeit von Eisen(III)-Hydroxid im
alkalischen Milieu zu sehen, zum anderen ist der DMT1-Transporter bekanntermaßen spezifisch für Fe2+
gegenüber Fe3+. Alle unabhängigen Studien zur Bioverfügbarkeit von oralen Eisenpräparaten haben immer
wieder gefunden, dass dies so ist und dass keine galenischen Verbesserungen das grundlegende Problem der
falschen Oxidationsstufe lösen kann (3, 10, 16, 18). Bei dieser klaren Ausgangslage ist es eigentlich
überraschend, dass Eisen(III)-Präparate immer noch auf dem pharmazeutischen Markt vertreten sind, in einigen
Ländern sogar substantiellen Anteil am Markt haben. Auch in Deutschland wird ein Eisen(III)-Hydroxid-
Polymaltose-Komplex (Ferrum Hausmann® Lösung) über Apotheken vertrieben. Es handelt sich dabei um einen
gut löslichen Eisen(III)-oxid-Hydroxid-Komplex mit Polymaltose. Eisen wird daraus im Wesentlichen durch
Reduktion freigesetzt, ansonsten ist der Komplex in Säuren und Basen relativ stabil und wird beim Menschen nur
sehr schlecht aufgenommen. Das ergibt sich aus Daten von Heinrich mit einem neutronaktiviertem Präparat (siehe
Tab. 2.), sowie von Kaltwasser, dem ein von der Firma 59Fe-markiertes Präparat (3,18). Dazu passend fanden
Therapiestudien an Patienten mit Eisenmangelanämie ein praktisch komplettes Therapieversagen, wenn nüchtern
appliziert wird (Abb. 4) (16).
Abb. 4. Therapie der Eisenmangelanämie bei einem Patienten mit chronischem Blutverlust aus einer
gastrointestinalen Blutung. Die gestrichelte Kurve zeigt die rasch abfallende 59Fe-Ganzkörperretention, die einen
Blutverlust von im Mittel 27 ml/Tag anzeigt. Eine Therapie mit Eisen(III) auch in hoher Dosierung (3x100 mg), mit
der Mahlzeit genommen, konnte den Hb-Abfall durch die Blutung nicht stoppen (rote Kurve). Umstellung auf Eryfer
(2x50 mg nüchtern führte trotz der Blutverluste zu einem Hb-Anstieg (18)
Vitamin C in der Nahrung kann möglicherweise etwas Eisen aus dem Komplex durch Reduktion herauslösen,
sodass bei Einnahme des Präparates mit der Nahrung die Wirkung etwas größer zu sein scheint (16, 18).
Die durchweg schlechten Ergebnisse mit Eisen(III)-Hydroxid-Polymaltose wurden durch eine Studie aus Indien an
Kindern mit Eisenmangelanämie bestätigt. Das besondere an diesem Präparat ist, dass die Firma dieses Präparat
intensiv mit offensichtlich gesponserten Studien unverdrossen und aggressiv weiter fördert. 2007 ist ein
komplettes Heft der Zeitschrift Arzneimittelforschung/Drug-Research erschienen, das ausschließlich positive
Beiträge zu diesem Präparat bringt. In einer Meta-Analyse wird die hohe Wirksamkeit dieses Präparates scheinbar
dokumentiert, allerdings fehlen dabei alle hier angeführten unabhängigen, kritischen Stimmen zu diesem Präparat
(22).
Nach unserer Meinung gilt zusammenfassend für alle Lösungen, die Eisen(III)- Hydroxid-Polymaltose-Komplex
enthalten, dass auch dieses Eisen(III)-Präparat oral genommen schlecht wirksam ist. Dieses Präparat liefert etwas
mehr Eisen als das Nahrungseisen alleine, sodass eine Therapie bei nicht sehr hohem Eisenbedarf auf Dauer
eine gewisse Wirksamkeit zeigen wird. Bei der Beurteilung von entsprechenden Firmenstudien ist deshalb auf eine
Kontrollgruppe besonders zu achten, die wirklich mit einem wirksamen Präparat in geeigneter Dosierung
behandelt wird.
Für den typischen Patienten mit Eisenmangelanämie ist das Versagen dieses Präparates aber hinreichend
deutlich belegt, weil es nicht die ausreichenden Mengen an Eisen in kurzen Intervallen zur Verfügung stellen
kann. In allen anderen Fällen sollten Kosten/Nutzen-Überlegungen davon abraten, dieses unwirtschaftliche
Präparat zu verwenden.